Tabak, Nikotin und vieles mehr
Dieses Factsheet beginnen wir ausnahmsweise mit einer schlechten Nachricht: der Trend zum Konsum von tabak- und nikotinhaltigen Produkten hat sich bei jungen Leuten negativ entwickelt. Aus den neuesten Studien geht hervor, dass der Anteil Konsumierender in der Gruppe der 14 bis 17jährigen 2022 fast 16 Prozent betrug. 2021 lag er in dieser Gruppe noch bei unter neun Prozent. Erstmals seit vielen Jahren gibt es also eine Trendwende, obwohl es Preissteigerungen gab und Gesetze kontinuierlich nachgebessert wurden.
Im Stadtgebiet Rosenheim haben wir diese Entwicklung ebenso festgestellt. Auch in unseren Workshops und Veranstaltungen wird uns berichtet, dass der Konsum von Zigaretten, Oraltabak und Vapes (E-Zigaretten) massiv angestiegen ist.
Es kann also sein, dass Ihr Kind mal auf Sie zukommt oder Sie irgendwie das Gefühl haben, Sie sollten über das Thema sprechen. Und wir haben aufgrund unserer Erfahrungen und der gestiegenen Zahlen auch das Bedürfnis, dass wir Ihnen das Thema näher bringen wollen. Wie immer teilen wir die relevantesten Informationen mit Ihnen und fangen mit den gesetzlichen Bestimmungen an.
Jugendschutz? Eh klar!
Zum Glück gibt es das Jugendschutzgesetz und andere Grundlagen, auf die Sie sich berufen können. Die Inhalte dieses Factsheets sind dieses Mal tatsächlich verwirrender, da verschiedene Gesetze zutreffen aber wir haben mal ein bisschen sortiert und das Wichtigste für Sie zusammengefasst.
Der Erwerb und Konsum von Tabakwaren sind in der Öffentlichkeit erst ab 18 Jahren erlaubt. Dies gilt beispielsweise für Zigaretten, Tabak und Shishatabak. Das haben Sie sicher gewusst.
Was nicht jeder weiß: die Abgabe von Oraltabak ist in Deutschland untersagt - auch an Erwachsene. Allerdings gibt es hier immer wieder Ausnahmeregelungen und Änderungen, so dass einzelne Produkte in Deutschland dann doch zur Abgabe freigegeben sind.
Die Abgabe nikotinhaltiger Nikotinpouches, sogenannter „Nicbags“ ist grundsätzlich untersagt - hier gibt es keine Ausnahmegenehmigungen. Sind die Beutel nikotinfrei, ist die Abgabe an Minderjährige erlaubt.
Der Erwerb und Konsum weiterer nikotinhaltiger Produkten, die keinen Tabak enthalten, wie E-Zigaretten („Vapes“) und E-Shishas sind erst ab 18 Jahren genehmigt. Auch Erwerb und Konsum von nikotinfreien Liquids für Vapes sind unter 18 Jahren nicht erlaubt. Weder Einweg - Vapes noch nachfüllbare Vapes darf man unter 18 Jahren kaufen oder besitzen.
Shiazo - Steine gelten als Raumerfrischungsprodukte. Sie werden auf der Shisha gedampft und enthalten weder Tabak noch Nikotin. Weder für Erwerb noch Konsum gibt es eine gesetzliche Vorgabe.
Eine Wasserpfeife darf man ohne Altersbeschränkung kaufen und besitzen. Wie wir in einem anderen Factsheet schon geschrieben haben: ob dies sinnvoll ist und warum ihr Kind sich eine Shisha ins Zimmer stellen möchte, können Sie diskutieren.
Was heißt das konkret? Die gesetzlichen Richtlinien sind bindend - auch wenn eine Erlaubnis der Personensorgeberechtigten vorliegt oder die Eltern dabei sind. „Erwischt“ die Polizei unter 18jährige in der Öffentlichkeit, werden ihnen die Produkte abgenommen und die Erziehungsberechtigten werden verständigt. Mit rechtlichen Konsequenzen hat die konsumierende Person nicht zu rechnen.
Die Abgabe der oben genannten Produkte an eine minderjährige Person hat hingegen immer strafrechtliche Folgen: kontrolliert die Kassenkraft zum Beispiel den Ausweis einer 17jährigen Person nicht oder besorgt eine volljährige Person etwas für den minderjährigen Freundeskreis, kann dies angezeigt werden. Auch wenn Produkte weitergeben werden, deren Abgabe generell untersagt ist, gibt es strafrechtliche Konsequenzen.
Sie wollen es genauer wissen? Eine aktuelle Ausgabe des Jugendschutzgesetzes finden Sie hier:
www.rosenheim.de/buergerservice/kinder-jugendliche/gesetzlicher-jugendschutz
Welche Botschaft will ich meinem Kind vermitteln?
Sie kennen unsere Haltung schon aus den anderen Facsheets: die Gesetzgebung hat sich bei der Erstellung der Regeln zum Jugendschutz etwas gedacht. Tabak-, und nikotinhaltige Produkte sind schädlich. Nikotinfreie Produkte sind - entgegen einiger Werbeversprechen - auch nicht gesund. Sie als erziehungsberechtigte Person sollten dies vermitteln. Sie können gern erklären, warum Sie diese Gesetze und deren Einhaltung wichtig finden. Ihr Kind muss wissen, woran es sich orientieren kann und warum Ihre Entscheidungen so ausfallen, wie sie eben ausfallen.
Können wir mal ins Detail gehen?
Machen wir. Für Kinder und Jugendliche gilt: je früher der Einstieg in den Konsum der genannten Produkte (und anderer Substanzen) stattfindet, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, in eine Gewöhnung zu geraten. Begünstigt wird ein früher Start durch den Einfluss eines konsumierenden Freundeskreises oder der Familie. Sollten Sie selbst rauchen: dies ist nur eine Info und kein Vorwurf.
Das Leistungsniveau beim Sport ist bei konsumierenden Personen im Vergleich zu nicht-konsumierenden jungen Leuten um ungefähr 10 % geringer. 90 % aller Fälle von Lungenkrebs sind auf das Rauchen zurückzuführen. Keine schönen Zahlen. Da Sie es ja vorgeschlagen hatten, schauen wir uns die einzelnen Produkte mal genauer an - dann können Sie sich eine eigene Meinung bilden.
Müssen wir Tabak und Zigaretten überhaupt erwähnen?
Nur kurz, denn eigentlich ist ja alles bekannt: die über 4800 verschiedenen Inhaltsstoffe geraten beim Einatmen in die Lunge und werden von dort aus im ganzen Körper verteilt. Tabakrauch kann Krebs in Lunge, Mundhöhle und Harnblase auslösen. Darüber hinaus kann sich die Lungenfunktion verschlechtern, es kann zu Atemwegs- und Herz - Kreislauferkrankungen kommen. In Kombination mit der Pille ist die Thrombosegefahr erhöht, bei Männern können Erektionsstörungen die Folge sein. So schaut’s aus. Und Sie haben es ja gelesen: kann - nicht muss!
Aber Shisha ist gesünder, gell?
Unsere Lieblingsanekdote zum Thema Wasserpfeife ist folgende: wir haben mal mit einer achten Klasse über Shisha gesprochen und gefragt, wie die Erziehungsberechtigten davon überzeugt wurden, dass die Kinder bei der Hausparty Shisha rauchen durften. „Naja, ich hab meinen Eltern gesagt, dass das Erdbeertabak ist und in Obst ist ja viel Vitamin C und deswegen auch gesund. Und das haben sie mir halt geglaubt.“ Coole Antwort und es tut uns ein bisschen leid, dass wir die Sache mit den gesunden Erdbeertabakvitaminen jetzt aufklären müssen.
Wasserpfeife raucht man meist in Gesellschaft und dies verbindet - es ist wie einen nettes Ritual. Aber Obacht: die gemeinschaftliche Nutzung von Shishas kann die Übertragung von ansteckenden Infektionskrankheiten wie beispielsweise Hepatitis oder Herpes begünstigen - darum sollte man nicht gemeinsam an einem Mundstück ziehen. Auch Pilzinfektionen durch mangelnde Hygiene sind möglich - deshalb immer schön reinigen!
Die Risiken beim Konsum von Shishatabak sind nicht geringer als beim Zigarettentabak - ganz im Gegenteil. Eigentlich ist es nämlich so: Wasserpfeifentabak besteht aus aromatisiertem Tabak, gemischt mit Melasse und Glycerin. Der durch Wasser abgekühlte und durch Fruchtaromen abgemilderte Rauch kratzt weniger im Hals - man inhaliert intensiver und die Stoffe kommen so tiefer in die Lunge. Shishatabak enthält zudem wesentlich mehr Schadstoffe als Zigarettentabak, Teer wird sogar in größeren Mengen aufgenommen als bei filterlosen Zigaretten. Die Menge des aufgenommenen Nikotins ist im Vergleich zu Zigaretten deutlich höher. Laut WHO entspricht eine Shisha-Sitzung in etwa dem Rauchvolumen von 100 Zigaretten. Im Rauch können zum Beispiel Arsen, Chrom und Nickel nachgewiesen werden. Auch die Kohle ist sehr schädlich, weswegen es in Shishabars Kohlenmonoxidmelder gibt.
Apropos Shishabars: In der Stadt Rosenheim fallen diese unter die Subsumierung von Nachtbars, daher ist der Zutritt für unter 18jährige untersagt.
Weitere Infos zum Thema Wasserpfeife / Shisha finden Sie unter
www.mindzone.info/drogen/wasserpfeife
Was sind Shiazo - Steine?
Shiazo - Dampfsteine sind offenporige Steine, die mit einer öligen Masse umhüllt sind. Diese enthält unter anderem Aromastoffe, Glycerin und Propylenglykol - diesen Stoff kennen Sie aus der Nebelmaschine von Ihrem letzten Discobesuch. Man legt die Steine auf eine Wasserpfeife, die Kohle wird erhitzt und man atmet die Aerosole ein. Da die Steine weder Tabak, Teer noch Nikotin enthalten, sind sie weniger schädlich als Shishatabak, jedoch inhaliert man wie schon bei der Wasserpfeife Kohlenmonoxid und krebserregende Stoffe, falls man keine elektrische Kohle benutzt. Die Aromastoffe können Allergien auslösen.
Ihnen können wir es sagen, wir sind ja unter uns: wir haben auch mal Steine bestellt, weil wir so neugierig waren. Wir hatten Geschmacksrichtung Pina Colada und danach schlimme Migräne.
Kennen Sie Oraltabak und Nikotinbeutel?
Wir schon. Wenn wir von Oraltabak sprechen, weiß jedoch kaum jemand, was wir meinen - nicht mal die, die ihn konsumieren. Beim Stichwort „Snus“ wissen schon mehr Leute Bescheid. Allerdings ist dies nur der Markenname eines bestimmten Produktes, trotzdem wird der Konsum von Oraltabak umgangssprachlich als „snusen“ bezeichnet.
Sie haben bestimmt schon mal die Dosen gesehen: sie sind gefüllt mit kleinen Beutelchen, sogenannten Pouches. Man schiebt sie sich zwischen Zahnfleisch und Lippe. Hierdurch verschlechtert sich die Mundflora und die Zähne werden auch nicht weißer. Beim snusen gibt es keinen Passivkonsum und auch die Lunge wird nicht so sehr geschädigt. Oraltabak enthält neben Tabak und den somit bekannten Schadstoffen auch Wasser, Aromastoffe und Salz - letzteres beschleunigt die Aufnahme des Nikotins im Körper. Hier kommt auch das Gerücht mit den Glasscherben her, die angeblich das Zahnfleisch aufschneiden: das ist aber nur das kristalline Salz. Hamma wieder was gelernt. Oraltabak gilt übrigens mental leistungssteigernd und zählt fei als doping - die meisten Leute kennen „Snus“ hier in Rosenheim ja noch vom Eishockey.
Nikotinbeutel sind ebenso kleine Pouches, die man sich unter die Lippe schiebt. In den Beuteln befinden sich weißes Pulver, Nikotin, Aromastoffe aber kein Tabak. Die Inhaltsstoffe verfärben die Zähne nicht, es entstehen allerdings ähnliche Schäden, die andere nikotinhaltige Produkte auslösen können. Es gibt auch nikotinfreie Produkte, die lediglich Aromastoffe enthalten. Sie sind weniger schädlich aber trotzdem nicht gesund. Aufpassen: natürlich kann man nikotinhaltige Pouches in Dosen füllen, die als nikotinfrei deklariert sind. Den Inhalt der Beutel kann man optisch nicht unterscheiden.
Zu beachten ist, dass sowohl Oraltabak als auch Nicbags teils einen sehr hohen Nikotingehalt haben und es so zu Überdosierungen und Vergiftungen kommen kann: Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und Kreislaufzusammenbruch können die Folge sein - hiervon wird uns auch in den Klassen sehr oft berichtet. Ganz wichtig: Für Kinder kann eine Nikotinvergiftung lebensgefährlich sein. Die Dosen sollten also nicht in deren Reichweite aufbewahrt werden.
Wie schaut das mit E-Zigaretten, E-Shishas und Vapes aus?
Diese sind vor allem wegen der verschiedenen Geschmäcker und der bunten Aufmachung bei jungen Leuten beliebt und aktuell weit verbreitet. Da man sie an- und ausschalten kann, kann man zwischendrin immer mal kurz vapen.
Die in den E-Zigaretten befindlichen Liquids werden durch ein elektronisches Heizelement verdampft. Sie enthalten Bestandteile wie Nikotin, Ethanol, Aromastoffe, Glyzerin und Propylenglykol (denken Sie wieder an die Nebelmaschine). Beim Verdampfen kann es zu allergischen Reaktionen kommen. Die Bronchien können sich entzünden, die Atemwege können eingeengt werden, die Herzfrequenz erhöht sich und Gefäßwände können geschädigt werden. Die Langzeitwirkungen sind noch nicht erforscht.
Das Risiko, eine Substanzgebrauchsstörung zu entwickeln, ist ähnlich hoch wie beim Rauchen von Tabak. Möglicherweise schaffen langjährige Rauchende es, mit Hilfe der Liquids langsam den Nikotingehalt zu reduzieren und auf diesem Weg langsam abstinent zu werden. Dies hört man oft - belegt ist diese These jedoch nicht.
Wichtig zu erwähnen scheint uns, dass Einweg - Vapes nicht gut für die Umwelt sind: sie können nicht nachgefüllt und der Akku nicht aufgeladen werden. Sie müssen nach ungefähr 600 Zügen im Sondermüll entsorgt werden. Schon alleine deshalb sind sie keine gute Idee.
Und wenn es nicht bei „nur einmal Shisha auf der Party!“ oder „des bissl snusen!“ bleibt?
Die Gesetzgebung hat den Umgang mit den hier erwähnten Produkten reguliert, da Kinder und Jugendliche sich in der Entwicklung befinden und weder durch legalisierte noch illegalisierte Substanzen zu Schaden kommen sollten. Regelmäßiges rauchen, dampfen oder „snusen“ ist also keine gute Idee.
Wie bei allen Substanzen kommt es natürlich immer auf die Frequenz und die Dosis an. Ertappen Sie ihr Kind einmal, sollten sie das selbstverständlich ansprechen. Natürlich gehen Sie anders damit um, wenn es regelmäßig konsumiert. Schön wäre, sie könnten mit ihrem Kind das Thema immer wieder mal auf Augenhöhe besprechen und Ihre Bedenken klar äußern.
Sollten Sie noch Fragen haben oder sich Sorgen machen, können Sie sich gerne per mail in der Diakonie Rosenheim melden. Wir können telefonieren oder Sie vereinbaren einen Termin und dann schauen wir, wie wir Sie unterstützen können - natürlich unter Schweigepflicht und kostenfrei. Dies gilt selbstverständlich auch, wenn Sie Ihren eigenen Konsum überdenken möchten. Für diesen Fall gibt es übrigens Kurse - auch online - der Krankenkassen oder auch verschiedener kommerzieller Anbieter.
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